Pilotprojekt Jugendhilfe neu gedacht: ganzheitlich und individuell

In Absprache mit dem Jugendamt der Stadt Köln haben wir 2017 unser Pilotprojekt gestartet. Das Rahmenkonzept unserer Arbeit beschreibt unser Qualitätshandbuch und das Eckpunktepapier, das durch die Stadt Köln unter Mitwirkung verschiedener Jugendhilfeträger entwickelt wurde.

Hier schaffen wir Lebensorte für Kinder und Jugendliche, die vorübergehend außerhalb der Familie versorgt werden müssen. Unsere Hilfe zur Erziehung ist aber nicht nur auf die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen ausgerichtet, sondern grundsätzlich am gesamten Familiensystem. Unser Ziel ist immer die Rückführung in die Familie, sofern dies möglich ist, sonst die Vorbereitung auf ein selbstverantwortliches Leben.

Die Angebote sichern die Grundversorgung in einem abgesicherten Betreuungsverhältnis. Besonders zu nennen ist dabei das Angebot Weiß mit dem Schwerpunktthema der Verselbstständigung.

Neben der Grundversorgung stellen wir dem Hilfebedarf des Kinds bzw. Jugendlichen entsprechende, individuelle und zeitlich begrenzte Leistungen zur Verfügung. Unser Rahmenkonzept umfasst dabei auch das Thema Inklusion, also die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf.

Unser Angebot umfasst sechs Gruppen mit jeweils neun Plätzen für Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren, die Gruppe Weiß mit dem Schwerpunkt Verselbstständigung bietet sieben Plätze. Die insgesamt 61 Kinder und Jugendlichen bewohnen jeweils ein möbliertes Einzelzimmer, teilweise mit eigenem Sanitärbereich. Ihnen stehen Wohn- und Gemeinschaftsräume, Küche und Sanitärbereiche zur Verfügung, sowie Freizeitangebote wie ein Bolzplatz, Kinderspielplatz, Lagerfeuerplatz, Fitnessraum, eine Gartenanlage und Bibliothek.

Leistungsmodule

Aus unseren Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf haben wir unsere Leistungsmodule entwickelt. Die im Kontext der stationären Hilfe erbrachten Leistungsmodule werden im Rahmen der Hilfeplanung für einen fest definierten Zeitraum mit allen Beteiligten vereinbart.

Individuelle Einzelförderung: Wir möchten die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen stärken und ihnen ihren individuellen Raum lassen. Unser Ziel ist es, ihre Wahrnehmung, Konzentration, soziale Kompetenz und emotionale Stabilität zu fördern. In der Einzelförderung könnten wir gezielt bestimmte Themen und akute Krisen bearbeiten; dafür nutzen wir Medien und Methoden, die die Pädagogik der Regelangebote ergänzt.

Familienberatung: Mit unserer Unterstützung decken die Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit ihren Eltern die positive, elementare Bedeutung ihrer Herkunftsfamilie auf. Wir nutzen die Chance, die familiären Beziehungen und Strukturen neu zu gestalten, um eine Rückführung in die Familie vorzubereiten und zu begleiten.

Case-Management: Alle Kinder und Jugendlichen und deren Familien erhalten von uns vor, bei und während der ersten zehn bis zwölf Wochen um den Aufnahmezeitpunkt individuelle Leistungen, um ihnen die Eingewöhnung zu erleichtern. Der/die Case-ManagerIn begleitet das Kind und das abgebende System in dieser Phase und empfiehlt im Anschluss, welches weitere Modul im Anschluss das wirkungsvollste ist.

Gruppenübergreifende Projekte: Jedem Kind und Jugendlichem in der Anna-Stiftung steht mindestens ein gruppenübergreifendes Angebot pro Kalenderjahr zur Verfügung, für deren Teilnahme sie sich frei entscheiden können, wie z. B. eine zweiwöchige Radtour oder eine Kunstwoche. Hier werden gemeinsam mit Betreuenden und Teilnehmenden aus anderen Gruppen Hürden gemeistert und besondere Erfahrungen gewonnen.

Besondere schulische und Ausbildungsförderung: In diesem Modul werden Kinder und Jugendliche unterstützt, den Anschluss an das fortlaufende Schul- und Ausbildungssystem zu halten. Kinder und Jugendliche, die die Schule verweigern oder suspendiert worden sind  oder – in Fällen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen – gar nicht beschult werden, werden durch pädagogische Fachkräfte im Austausch mit den betreffenden Schulen und deren Lehrplänen begleitet. Wir helfen den Kindern und Jugendlichen, eine Berufsperspektive zu formulieren und diese zu erreichen, z. B. durch Hilfe bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen.

Aufnahme

Das Aufnahmeverfahren ist die „erste pädagogische Intervention“ im Rahmen einer geeigneten und gelingenden Hilfeplanung. Es ist ein Schlüsselprozess, der wesentlich zum Erfolg der Maßnahme einer stationären Unterbringung beiträgt. Ziel unseres Aufnahmeverfahrens ist es, den Kindern, Jugendlichen und deren Familien ein gutes Ankommen zu ermöglichen und gemeinsame Ziele zu erarbeiten.

Eine ausführliche Vorbereitung des Kindes oder Jugendlichen auf eine perspektivische und/oder zeitnahe Aufnahme ermöglicht ein erstes Kennenlernen, den wünschenswerten Abbau von Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten sowie dem Bereitstellen von Raum und Zeit für Fragen.

Verselbstständigung

Die Aufnahme von Kindern verschiedenen Alters in die stationäre Jugendhilfe verlangt von den pädagogischen Fachkräften eine Fülle an Aufgaben, Zielverwirklichung und individueller Einstellung in Bezug auf die verschiedenen Altersstufen mit jeweils unterschiedlichem Bedarf. Je nach Aufnahmealter verbringt ein Kind seine gesamte Kindheit und frühe Jugend in der Jugendhilfeeinrichtung. Damit wird der Ort zu einer Art Heimat und die BetreuerInnen zu langjährigen Bezugspersonen. Kinder wachsen und entwickeln sich, sodass fachliche Antworten zur Verselbstständigung und Vorbereitung auf ein eigenständiges Leben gefunden werden müssen. Die Verselbstständigung ist das Ziel der Gruppe Weiß unseres Pilotprojekts.

Das Verselbstständigungsangebot ist durch seine zwei getrennten Wohnbereiche mit der einer Wohngemeinschaft vergleichbar. Ein Umzug in das Angebot ist freiwillig, die Voraussetzungen hierfür sind eine grob vorhandene Orientierung und Eigenmotivation in Bezug auf die schulischen und beruflichen Zukunftsperspektiven, sowie ein angemessenes Maß an Selbstständigkeit (in Bezug auf Haushaltsführung und Geldverwaltung) und die Fähigkeit mit zeitlich begrenzter Anleitung und Betreuung auszukommen.

Eine detaillierte Beschreibung unseres Pilotprojekts finden Sie im Handbuch, das auf Basis von Qualitätsmanagement-Richtlinien erstellt wurde:

Handbuch zum Pilotprojekt (PDF)